Wie füttert man zwei Esel – Teil 3

Streicheleinheit

…oder die ungewöhnlichste Wanderung der Familie Tantz 

Tag 3

Die Nacht endete für Urlaubsverhältnisse bereits früh, wurde aber mit einem opulenten Frühstück ausgeglichen. Danach schauten wir nach unseren Begleitern, die friedlich im gemütlichen Stroh standen und an den Resten ihrer Heuballen knabberten. Sie hatten die Ruhe weg und so gab es noch Zeit für einen kurzen Plausch mit unserem Gastgeber, der uns viel über seinen Hof und die noch wartende Arbeit am gesamten Gebäudekomplex erzählte. Sodann packten wir unsere Siebensachen und machten Edna und Elias bereit für die bevorstehende Wanderung. Wir verabschiedeten uns herzlich mit dem beiderseitigen Wunsch, uns in Thailand wieder zu treffen. Mit fröhlichem Hufgeklapper auf Kopfsteinpflaster wie am Vorabend trabten wir Richtung Dorfausgang. Inzwischen versiert in Bezug auf die Frühstücksbedürfnisse unserer beiden Vierbeiner verließen wir das Dorf jedoch nicht, ohne den beiden vorsichtshalber schon nach 10 Minuten das Gepäck wieder abzuhieven und sie auf einer saftigen Wiese grasen zu lassen. Dies fand wohlwollende Zustimmung und wir waren – kaum aufgebrochen – schon wieder ausgebremst. Aber wir hatten die vage Hoffnung, dass die Esel heute ohne Zwischenfälle mitlaufen würden. Das taten sie auch – ca. 15 Minuten lang! Wir waren am Beginn eines Waldes angekommen und beide stellten unverzüglich sämtliche Bewegungen ein und blickten ängstlich ins Dunkel der grünen unbekannten Weiten. Wir waren genervt, die Esel unbeeindruckt. Langes, nur geheucheltes geduldiges Zureden entlarvten die beiden als das, was es war: eben nicht geduldig! Nicht entschleunigt! Sondern eben genervt, wie das in unserer hektischen Welt eben vorkommt, wenn wir auf die Probe gestellt werden; in schwierigen Situationen, in denen es nicht schnell genug geht. Aber deswegen waren wir ja hier, um zu entschleunigen. Wir hatten ja Zeit! Wir wollten uns also nicht beklagen und dankbar sein für diese Lektion. Leises Bitten und Flehen ließ die Esel etwas entspannen. Sie lugten schon wieder rechts und links nach Leckerlis. Am Ende musste schließlich ein langer Zweig mit raschelnden Blättern erneut als Antrieb herhalten. Zum Glück erinnerten wir uns, dass die Esel im Wald immer Angst vor Mücken und Bremsen haben. Das hatte uns die Eselbesitzerin Katrin erzählt. Mühsam und etwas widerwillig setzten sie sich also in Bewegung. Der Zweig diente nun als Wedel gegen die Insekten. Ein kurioses Bild muss das abgegeben haben, wie wir mit gutem Zureden und freundlich wedelnd den Herrschaften unterwürfig den Weg durch den Wald bahnten. Hier trabten sie dann immer schneller, um den Wald hinter sich zu lassen. Jetzt erkannten wir aber, warum sich hier so viele Insekten wohlfühlten: der Waldweg führte vorbei an einem einsamen See, der unwiderstehlich zum Baden einlud! Zum Glück kamen wir schnell an eine Lichtung, auf der die Esel grasen konnten. Sie waren heilfroh, dieses Stück bewältigt zu haben. Wir auch! Und ein kurzer Abstecher zurück zum klaren See mit spiegelglatter Oberfläche und das leise Plätschern beim einsamen Schwimmen im Schein der Morgensonne, die alles in ein kräftiges Orange färbte, entschädigte für den holprigen Morgen und war ein magischer Moment dieser Reise!

So beschwingt machten wir uns nach dieser Rast wieder auf den Weg, unserem heutigen Ziel Seehausen entgegen. Es würde schon unsere letzte Übernachtung „mit Eseln“ sein, morgen dann der letzte Wandertag. Hoffnungsfroh sahen wir diesem Weg entgegen. Allerdings führte er erst einmal wieder an einem Feld, umsäumt von scheinbar schmackhaften Wiesenpflanzen, vorbei. aus der HandEs war sehr zäh und langwierig, die Esel hier mehr oder weniger mitzuziehen. Vorbei an weiteren Streuobstwiesen erreichten wir nach einer gefühlten Ewigkeit für diese (eigentlich kurze) Strecke einen Friedhof, an dessen Außenmauer wir uns erneut zu einer Pause niederließen. Dort gab es als Überraschung Leckerlis für Elias und Edna, die sich unbändig zu freuen schienen. Begeistert schmatzten sie die Äpfel und Möhren, die Marcel zum Frühstück eingesteckt hatte, und kamen ganz nah an die Decke und suchten nach mehr. Liebevoll stupsten sie uns an den Schultern und hatten einen wahrscheinlich Jahrtausende geübten Blick drauf, dem nur schwer zu widerstehen war.

Nach dieser Pause waren nun die Esel beschwingt und liefen brav mit bis wir wieder an ein Waldstück kamen. Zu unserer Freude liefen sie uns zuliebe diesmal gleich in den Wald, aber in einem Affentempo, so dass wir kaum hinterherkamen. Sie hatten aber registriert, dass wir schon Zweige zum Verjagen der Mücken und Bremsen parat hatten und wollten uns offenbar nicht wieder einen Strich durch die Rechnung machen. So rannten wir nun samt Gepäck durch den Wald. Etwas außer Puste, die schweren Rucksäcke auf dem Rücken verrutscht, traten wir von der Sonne geblendet in die sengende Hitze dieses Tages. Wir schwitzten und sicher sahen wir vier zum Schießen aus mit all dem Gepäck und dem Gestrüpp in der Hand. Wir überquerten einen Bahnübergang und liefen entlang der Bahnstrecke auf einem schmalen Pfad, der scheinbar nicht stark frequentiert war. Rechts und links säumten riesigen Bambusgewächse den Weg, die uns ständig im Gesicht hingen und das Gehen erschwerten.

Pause mit dem EselEdna und Elias trabten aber zum Glück jeweils vor uns her und bahnten uns den Weg. Rechts tat sich eine Weide auf, auf der eine Ochsenherde graste, die uns erstaunt beobachtete. Uns war etwas mulmig beim Anblick der Riesentiere, von denen wir nur eine Armlänge entfernt und durch einen nahezu winzigen Zaun getrennt waren. Dann war vor uns der Weg zu Ende. So sah es jedenfalls aus. Nur noch wenige Meter und keine Abbiegung in Sicht. Was war da los? Laut Karte mussten wir richtig sein! Edna und Elias trabten zielstrebig geradeaus weiter als wüssten sie mehr. Plötzlich verschwand Elias mit Marcel vor mir im grünen, scheinbar undurchdringlichen Dickicht. Während ich noch mehrere Fragezeichen im Kopf hatte und über Ednas Rücken griff, um einen Zweig zur Seite zu schieben, bemerkte ich, wie mich etwas anhob, Edna Anlauf nahm und ich halb über ihrem Rücken hängend durch büschelweise Bambusgewächse nach oben schwebte. Dort stand Marcel schon mit Elias, genauso verdattert dreinblickend wie ich mich fühlte. Doch zum Grübeln blieb keine Zeit. Wir sahen uns entsetzten Bahnreisenden gegenüber, die auf dem Bahnsteig auf den Zug warteten. Statt des Zuges auf dem Gleis waren ihnen nun zwei Esel mit Gepäck, umrahmt von zwei an Landstreicher erinnernde Personen aus dem Gebüsch entgegengesprungen. Sie lachten nicht, sondern stierten uns entgeistert an. Wir schüttelten uns und eilten schleunigst weiter, um diesem peinlichen Moment zu entfliehen. Um die nächste Ecke gebogen, konnten wir nicht mehr an uns halten. Was für eine absurde Situation das war. Wir schütteten uns aus vor Lachen und versuchten die Situation zu entwirren. Die Esel kannten diese Anhöhe – natürlich! Deshalb taten sie auch nicht dergleichen und nahmen gezielt Anlauf, um sich und uns nach oben zu schwingen. Mich hatte der große Korb auf Ednas Rücken erfasst und da ich gerade den Arm über ihrem Rücken hatte, war ich fest verhakt und brauchte nicht mal Beinkraft bis nach oben. Mann, Mann, Mann, verrückt diese Reise! Wir setzten uns wieder in Bewegung. Plötzlich waren wir schon in Seehausen und trabten die Dorfstraße entlang. Ein Radfahrer sprach uns an und fragte, ob wir die mit den Eseln sind, die in der Pension übernachten wollten.  Ja, sah so aus, oder? Er gehörte, wie sich herausstellte, zu unserer letzten Übernachtungsstation und führte uns dorthin. Es war eine Familienpension mit Bauernhofcharakter, wo gerade viele Familien mit ihren Kindern im Außenbereich im Biergarten und auf dem Spielplatz ihren Nachmittag verbrachten. Viele Fahrräder waren an der Seite abgestellt. Als wir in die Einfahrt des Geländes einbogen, wurde es kurz still. Uns war das etwas unangenehm, weil wir uns immer etwas wie Strauchdiebe vorkamen, die sich obendrein dem Geruch ihrer Begleiter angepasst hatten. Wir versuchten so normal und etwas unsicher lächelnd erst einmal einfach weiterzutraben. Leider bemerkte ich nicht, wie Edna mit ihren ausladenden Körben auf dem Rücken an einem der Fahrräder hängenblieb und alle nacheinander wie Dominosteine mit lautem Getöse zusammenkrachten. Oje, jetzt war es richtig peinlich. Einige kamen zu Hilfe und stellten die Räder wieder auf. Dann suchten wir den Chef, er war nicht gleich zu finden, aber er hatte von weitem mitbekommen, was mit den Rädern passierte und war gar nicht begeistert. Naja, er hat uns dennoch unser Quartier gezeigt und ließ uns die Esel auf der Koppel abstellen, wo wir sie noch versorgten. Dieser Abend war für uns nur sehr kurz, wir fühlten uns nicht so ganz wohl, nachdem wir so mit der Tür ins Haus gefallen waren. Nach einer Dusche und dem Abendessen mit einem Bier legten wir uns um 19.00 Uhr ins Bett und guckten Fernse
hen, egal wie schön das Wetter war, wir sehnten uns nach Zivilisation.

Streicheleinheit

Lektion: Geh langsam! Und hab Leckerlis in der Tasche 🙂

Fortsetzung folgt…

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