…oder die ungewöhnlichste Wanderung der Familie Tantz
Tag 2
Nach erholsamer Nacht auf dem wunderschönen Hof machten wir uns am nächsten Morgen nach einem ganz köstlichen Frühstück und einem inspirierenden letzten Austausch mit Thomas, unserem ersten Gastgeber, von Klein-Fredenwalde auf nach Melzow. Auch diese Strecke wäre zu Fuß ohne Esel gemütlich mindestens an einem Vormittag zu schaffen. Aber wir wussten ja um die Vorliebe der Eselchen für viele Pausen.
Mit allen guten Wünschen und Ratschlägen von Thomas im Gepäck fühlten wir uns gestärkt und gut gewappnet, diesen Tag besser zu bewältigen als den ersten. Zunächst mussten wir eine „gefährliche“ Wegstrecke passieren: ein Haferfeld! Die Esel lieben auch Hafer, obwohl sie nicht dürfen. Denn ein Zuviel dieses Getreides verursacht Bauchschmerzen. Das wollten wir nicht riskieren und so führten wir die beiden (nachdem sie bereits auf der Koppel gefrühstückt hatten!) unter Ablenkungsmanövern und mit Geschichten-Erzählen erfolgreich am Haferfeld vorbei zur Frühstückspause – nach ca. 20 Minuten. Sie waren sichtlich erfreut, dass wir zu begreifen schienen, wie eine Eselwanderung zu funktionieren hatte. Auch wir freuten uns, den Beginn des Tages so gut gemeistert zu haben. Dann ging es weiter durch eine romantische Landschaft, in der sich Feldwege, kleine Wäldchen und Wiesen sowie kleinere Siedlungen abwechselten. Die Sonne schien, wir trabten gemütlich und ohne größere Zwischenfälle bis zur zweiten Pause. Nach und nach wurden die Eselchen zutraulicher und schienen sich an uns zu gewöhnen. Elias unternahm sogar schon einen frechen Versuch, im Rucksack zu kramen.
Irgendwann kamen wir in ein etwas größeres Dorf, in dem wir ein ganzes Stück die Hauptstraße entlanglaufen mussten. Natürlich waren wir ein Verkehrshindernis für Pkw und auch Lkw, was uns Zweibeinern irgendwie Stress verursachte und unangenehm war. Nicht so unseren beiden vierbeinigen Wandergesellen. So wurden wir rasch zu einer Riesenkolonne, in der Pkw, Lkw und Traktoren den Eseln und uns folgen mussten. Erstaunlich brav, mit Eselsgeduld und ohne uns in Vorgärten oder die Wiesen am Straßenrand zu zerren, trabten Elias und Edna zielstrebig in Richtung Dorfausgang. An einer Kreuzung löste sich der Knoten glücklicherweise auf und wir konnten unbehelligt unseren Weg fortsetzen. Indes wurde unser kleiner Wandertrupp begleitet von fröhlichem Winken und Hallo-Rufen einiger Dorfbewohner sowie einer größeren Fahrradgruppe, die in gleicher Richtung unterwegs war. Das war sehr erfrischend, wir entspannten uns etwas, waren aber dennoch froh, am Ende des Dorfes das kleine von Thomas angekündigte Waldstück zu erreichen. Hier sollte ein wundervoller Waldsee zum Baden einladen. Darauf freuten wir uns. Als wir dort ankamen, war die Fahrradgruppe schon dort und kühlte sich bei diesem herrlichen Wetter im See ab. Es gab ein Riesenhallo als wir Vier auch dort eintrafen. Einige umringten uns und wollten viel über die Esel und uns wissen und was wir eigentlich mit ihnen vorhatten. Wir hatten lustige Gespräche und es wurde eine lebendige erfrischende Badepause für uns. Unsere beiden langohrigen Begleiter kümmerte es nicht weiter, sie waren glücklich mit dem saftigen Rasen und ließen es sich gut gehen. Gestärkt und gut gelaunt machten wir uns auf die Weiterreise. Nur leider hatten die Esel plötzlich keine Lust mehr dazu. Nach 20 m blieben sie an einer Weggabelung im Wald stehen – natürlich mitten im Weg – und rührten sich mal wieder nicht von der Stelle. Wir mussten vielen vorbeikommenden Leuten lang und breit erklären, warum wir ihnen leider keinen Platz machen konnten. Nebenbei redeten wir mit Engelszungen auf Elias und Edna ein, die stur einen Punkt am Boden fixiert hatten und geistig nicht zu erreichen waren. Glücklicherweise freuten sich die meisten Wanderer trotzdem über uns und unsere Geschichte und wanden sich geschickt um uns herum. Irgendwann – wie aus dem Nirvana wieder aufgetaucht – entschied sich Elias plötzlich dazu, sich in Bewegung zu setzen. Gott sei Dank! Edna und wir folgten erleichtert, beteuernd, dass die nächste Pause in nicht allzu ferner Zukunft liegen würde. Wir fanden bald darauf an einer Lichtung ein geschütztes Plätzchen und erlaubten den beiden erneut einen wohlschmeckenden Snack auf der Wiese.
Auch hier waren etliche Wanderer und Radfahrer unterwegs, die uns mit freundlichem Hallo begrüßten. Ein Mann wollte sogar ein Foto von uns für seinen Freund, der wohl eine ähnliche Wanderung plante. Wir mussten wirklich ein witziges Bild abgeben alle Vier! Dann passierten wir in sengender Sonne einen längeren Wegabschnitt, der kein Ende nahm. Inzwischen war es nachmittags und wir fragten uns, ob wir nicht bald da sein müssten. Wir checkten die Karte, Elias diente dabei praktischerweise als Tisch und tat sich unauffällig an den Köstlichkeiten des Waldes gütlich.
Wir schienen auf dem richtigen Weg zu sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam endlich Melzow in Sicht. Wir waren jetzt dann doch in einem Zustand, an dem wir endlich ankommen wollten, denn jede Pause umfasste auch das Ent- und Beladen der Esel mit dem Gepäck und verlangte einiges an Kraft und Geschick, nicht zuletzt auch jedes Mal das Bangen, ob die beiden bereitwillig weiterlaufen würden. Dies, der oft ungewohnt und überraschend verlaufende Fußmarsch sowie die kleinen Frechheiten unserer Begleiter zerrten an unseren Nerven und der Kraft. Nach einigem Suchen und mit dem Getrappel der Eselhufe auf Kopfsteinpflaster erreichten wir unseren zweiten Gastgeber. Uns erwartete wiederum ein wunderschöner großer Hof einer jungen Familie, die alles liebevoll gestaltet hatte und noch mit dem weiteren Ausbau beschäftigt war. Die Eselchen bezogen zuerst ihr Quartier, wurden entladen und gesäubert und bekamen zwei riesige Heuballen zum Fressen. Wahnsinn, was die beiden so wegschroten konnten! Dann wurden wir in eine super schöne und mit Liebe zum Detail ausgebaute Ferienwohnung geführt, wo wir die Gerüche unserer Begleiter wegduschen konnten. Grandioser Abschluss dieses Tages war ein spektakuläres, selbst von der Hausfrau zubereitetes thailändisches Abendessen und ein toller Austausch mit unseren Gastgebern über dieses großartige asiatische Land. Danach blätterten wir noch etwas im Gästebuch und erfuhren so, dass nicht alle, die eine Wanderung mit Eseln beginnen, diese auch zu Ende führen. Einige liefen tatsächlich ohne Esel weiter. So etwas wollten wir nicht bringen! Andere Gäste wiederum waren bereits bis zu neunmal mit Eseln auf Wandertour. Mit dem festen Entschluss, beide ebenso wieder glücklich und gesund nach Hause zu bringen, fielen wir – wie am Tag zuvor kurz nach dem Sandmann – in einen tiefen Schlaf.
Lektion: Übt euch in Geduld und Gelassenheit, Esel brauchen gute Pausen. Und viele!
Fortsetzung folgt…
„Wenn du ein Problem hast, versuche es zu lösen. Kannst du es nicht lösen, dann mache kein Problem daraus.“
Buddha