Das aktuelle Interview mit Tilo Eigendorf, Bürgermeister von Teutschenthal
Hildegard Hayessen (H. H.): Vielen Dank, Herr Eigendorf, dass Sie dieses Interview so schnell und unkompliziert in Ihren Terminkalender aufgenommen haben. Als neuer Bürgermeister unserer Gemeinde sind sie für unsere Leser von großem Interesse. Danke für Ihre Bereitschaft, mein Interviewpartner für den Steudener Brief zu sein.
Herr Eigendorf, Sie sind gebürtiger Teutschenthaler, sind verheiratet und haben 3 Kinder? Ist das richtig?
Tilo Eigendorf (T. E.): Das ist richtig. Mein ältester Sohn wird 11 Jahre, 8 Jahre ist meine Tochter und 3 Jahre ist mein Jüngster. Wir versuchen Beruf, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen, was nicht immer ganz einfach ist, weil meine Frau auch in einer Leitungsfunktion in der medizinischen Pflege tätig ist. Es ist manchmal eine Herausforderung. Aber wir haben auch Großeltern, die uns dabei kräftig unterstützen.
- H.: Das ist ein großes Glück!
Herr Eigendorf, wie sind Sie im Rathaus und der laufenden Verwaltung aufgenommen worden? Man sagt ja immer, aller Anfang sei schwer!
- E.: Das ist richtig. Es ist ja in Teutschenthal nicht nur in der Öffentlichkeit sondern auch im Rathaus selber unter den Mitarbeitern eine ganze Menge Porzellan zerschlagen worden, dementsprechend ist mit einer gewissen Distanz natürlich auch diese ganze Abwahl- und das Wahlverfahren des neuen Bürgermeisters aufgenommen worden. Aber aufgrund der 10 Jahre, die ich nun schon Kontakt zum Rathaus hatte – ich war regelmäßig bei den Hauptausschusssitzungen zugegen – kannte mich ein Großteil der Mitarbeiter; man wusste auf jeden Fall, wer steckt hinter der Person, sodass ich mit wenig Vorbehalten zu kämpfen hatte. Ganz im Gegenteil, auf Grund meines beruflichen Hintergrundes war auch eine gewisse Erwartungshaltung da. Ich persönlich habe mich sehr gut aufgenommen gefühlt. Die Stelle des Bürgermeisters war ja ein dreiviertel Jahr verwaist und es ist einiges liegen geblieben. Ich habe von Anfang an mein Tun gehabt und meine Zeit der Einarbeitung ist noch nicht abgeschlossen.
- H.: Sie sind Jurist in eigener Anwaltskanzlei. Was war Ihre Motivation, in die Politik zu gehen, und wie bekommen Sie den alten mit dem neuen Job als Bürgermeister unter einen Hut?
- E.: Da meine Zulassung ruht und ich als Anwalt nicht tätig sein darf, das verbietet mir die Berufsordnung, komme ich gar nicht in Konflikt. Als hauptamtlicher Bürgermeister im Beamtenstatus ist eine weitere berufliche Tätigkeit ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber Interessenkollision darin sieht. Meine Kanzlei läuft zwar weiter: an meiner Stelle arbeitet eine entsprechende Kollegin, die von der Kammer auch als meine Vertreterin bestellt worden ist. Ich selber habe den Kopf jetzt, was Anwaltssachen angeht, frei für die Tätigkeit in der Gemeinde.
Die erste Frage, wie bin ich dazu gekommen? Ich habe eine enge Verbindung zu diesem Ort, weil ich hier groß geworden bin, vom ersten Lebenstag an in Teutschenthal wohne, dann vor über 10 Jahren den Weg in die ehrenamtliche Arbeit des Gemeinderates gefunden habe. Dadurch konnte ich mehr Einblick gewinnen und habe dann für mich Dinge gesehen, die ich anders regeln würde, wenn ich sie selber angehen müsste. Damit wuchs das Interesse, bzw. das Ansinnen, hier eines Tages als Kandidat bei einer möglichen Wahl anzutreten. 2016 hatte ich den ersten Versuch gestartet. Damals waren wir die vier ernsthafteren Kandidaten, alle recht eng beieinander, alle so um die 20-25%, es gab keinen so richtigen Verlierer. Die Geschichte ist ja dann weitergelaufen, jeder weiß, was passiert ist. Dann stand nach drei Jahren wieder die Frage zur Wahl an, das habe ich dann gemacht und habe ein wirklich sehr gutes Ergebnis eingefahren. Die Erwartungshaltung an mich ist nach allem, was vorgefallen war, nun sehr hoch und ich möchte mich dieser Herausforderung auch stellen.
- H.: Im Wahlkampf haben Sie angekündigt, das Teutschenthaler Industriegebiet interessanter machen zu wollen für Firmen und Investoren. Sind Sie da noch zuversichtlich oder hat vielleicht sogar Corona und die derzeit allgemein schwierige Wirtschaftslage ihre Pläne durchkreuzt?
- E.: Man muss sagen, Corona verändert natürlich die Welt. Wir können erstmal selber kaum abschätzen welche finanziellen Auswirkungen es auch auf die Gemeinde haben wird. Es wird Auswirkungen haben. Was aber mögliche Interessenten für unser Industrie-Gebiet, z. B. Unternehmen oder Investoren betrifft, bin ich eigentlich zuversichtlich. Wir haben hier einen sehr guten Standort, vor allem durch die bald fertiggestellte besonders gute Anbindung an die Autobahn. Wir stehen in Verkaufsverhandlungen mit einem Investor für fast den gesamten noch freien Raum im Industriegebiet bei Selgros und denken schon über eine Erweiterung des Gebietes nach. Im Übrigen soll sich nach Experten-Meinung unsere Wirtschaft, die durch Corona in Schieflage geraten ist, bis Ende des Jahres soweit erholt haben.
- H.: Apropos Corona: Wie kommen Sie bislang in der Verwaltung mit den erschwerten Bedingungen zurecht? Sind Sie einverstanden mit der Landespolitik und ihrem forschen Vorpreschen in Sachen Corona- Erleichterungen?
- E.: Wir haben in der Verwaltung entsprechende Maßnahmen ergriffen. Wir haben Doppelbüros vorübergehend abgeschafft, wir bieten mobiles Arbeiten an in Absprache mit anderen Kommunen, Behörden, mit anderen Landkreisen. Es gab erstmal keine Dienstberatungen mehr. Maximal Gespräche unter zwei Personen, wir haben die Verwaltung für die Öffentlichkeit gesperrt und nur Termine vergeben für dringliche Angelegenheiten. Wir haben versucht das Amt hier soweit aufrecht zu erhalten, dass wir im Falle einer Infektion nicht alle Mann in Quarantäne gehen müssen. Das ist uns bisher auch ganz gut gelungen. Glücklicherweise haben wir ja hier im Saalekreis sehr geringe Infektionszahlen. So gesehen kann man natürlich darüber streiten, ob all die Maßnahmen, die im Vorfeld eingeführt wurden, notwendig waren. Das Grundgesetz hebt die körperliche Unversehrtheit über Alles. Insofern waren die Maßnahmen gerechtfertigt. Ob die jetzigen Lockerungsmaßnahmen vernünftig sind, wird sich erst später zeigen. Es wird immer von der zweiten Welle gesprochen. Man muss für das gesamte System, im Kleinen, wie der Kommune, wie auch im Großen, im Bundesland, aber immer abwägen, welchen Preis man bereit ist für die Gesundheit zu zahlen. Ich bin ja auf kommunaler Ebene nicht in der Verlegenheit, darüber entscheiden zu müssen. Das, was wir hier machen, ist ja Verordnungen ausführen. Wenn man die Situation in Italien sieht oder in New York, ist das natürlich erschreckend. Aber ja, ich bin kein Mediziner und auch kein Virologe. Ich kann das nur aus dem Bauch heraus beurteilen.
- H.: Aber nochmal ein Blick auf die Großgemeinde Teutschenthal. Wo sehen sie heute die größte Baustelle und wo das größte Potential?
- E.: Das größte Potential sehe ich, wie eben schon angesprochen, in dem Standort, den wir haben und der auch für größere Investoren interessant ist. Uns wird es jetzt gelingen, dieses Jahr einen großen Investor aus dem Logistik-Bereich im Gewerbegebiet Teutschenthal ansässig zu machen. Auch unsere gute Anbindung an den Bereich Halle-Leipzig ist von Vorteil und bietet der Bevölkerung einen guten Zugang zu vernünftigen Arbeitsplätzen. Die größte Baustelle sehe ich nach wie vor bei unseren Pflichtaufgaben: Schule, Hort und Kita. Zu allererst möchte ich, das habe ich mir auf die Fahnen geschrieben, den Ausbau oder Neubau der Grundschule in Teutschenthal für alle Kinder aus dem Bereich Teutschenthal in Angriff nehmen. Wir haben derzeit zwei Grundschulstandorte in Teutschenthal. Holleben, dort steht ein vernünftiges Gebäude, das auch nicht angegriffen werden soll, was aber auch einen gewissen Stand aufzuholen hat. In Teutschenthal besitzen wir keine eigene Schule, wir sind beim Landkreis im Gebäude der Sekundarschule eingemietet und dort wird es mittlerweile so eng, dass die Steudener, Dornstedter und Asendorfer Grundschüler in Schafstädt beschult werden müssen. Mir schwebt eine neue, moderne Schule vor, die den vorgesehenen Konzepten entspricht, was jetzt z. B. Digitalisierung angeht. Das verbunden mit einer vernünftigen Unterbringung im Hort. Auch da haben wir unheimliche Schwierigkeiten, da die Hortkapazität mittlerweile ausgeschöpft ist. Entgegen aller Verlautbarungen sind die Kinderzahlen in den letzten Jahren stabil geblieben, sogar noch leicht angestiegen. Immer mehr Eltern entscheiden sich für eine Betreuung, was vor 5 bis 6 Jahren noch nicht ersichtlich war. Deswegen haben wir einen unheimlichen Nachholbedarf im sozialen Bereich, sowohl Schule als auch Kitas, und entsprechenden Sanierungsstau. Wir haben eine sehr moderne Einrichtung in Dornstedt, die auch für Steuden und Asendorf der erste Anlaufpunkt ist, mittlerweile gehen sogar Kinder aus Teutschenthal dorthin, weil wir dort sehr viel Kapazität noch übrig hatten in den letzten Jahren, aber die ist jetzt ab Sommer ausgeschöpft. Dort werden wir ansetzen und diese Kita in den nächsten zwei Jahren im Außenbereich zu Ende sanieren. Im Innern ist die Kita soweit in Ordnung, bis auf Kleinigkeiten, die seit 2013 nun wieder anfallen. In anderen Einrichtungen sind auch größere Investitionen notwendig. Es reicht nicht, immer nur hier und da mal ein bisschen was zu machen. Wir müssen unseren Aufsichtsbehörden ein gutes und schlüssiges Konzept vorlegen, um hier auch die entsprechende Kreditaufnahme genehmigt zu bekommen. Innerhalb meiner Amtszeit möchte ich eine deutliche Verbesserung im Schul- und Kitabereich herbeiführen und den Standards genüge tragen. Das gleiche wird es beim Thema Feuerwehr sein. In die Feuerwehr-Gerätehäuser von Dornstedt und Langenbogen wird es entsprechende Investitionen geben, weil es eine Pflichtaufgabe ist. Das wird sich aber über einen längeren Zeitraum hinziehen.
- H.: Da haben Sie sich viel vorgenommen!
Nur noch ein paar Fragen zum Entspannen: Was lesen Sie gerade? Haben Sie einen Lieblingsautor?
- E.: Einen Lieblingsautor habe ich nicht. Ich lese gerade ein interessantes Buch über Carl Wentzel und als nächstes wartet hier schon ein Buch von Peter Michael Distel: „In der DDR war ich glücklich, trotzdem kämpfe ich für die Einheit“. Das Interesse an politischen Themen habe ich von meinen Eltern geerbt.
- H.: Was schauen Sie am liebsten im TV?
- E.: Ich schaue kaum Fernsehen. Vor allem im Sommer bin ich lieber draußen in der Natur und mit meinen Kindern zusammen. Im Winter kommt es schon eher vor, dass ich mal fernsehe, aber ohne besondere Vorlieben.
- H.: Haben Sie ein Hobby?
- E.: Heute nicht mehr. Früher fuhr ich mit Leidenschaft Motorrad, was mir heute als Familienvater zu riskant ist. Tauchen und Wassersport hat mir damals auch Spaß gemacht. Briefmarken sammeln oder so etwas ist nichts für mich.
- H.: Bleibt Ihnen genügend Zeit für Ihre Familie (Frau und Kinder)?
- E.: Ja. Ich achte auch darauf, mir Zeit für meine Familie zu nehmen. Natürlich sind da auch mal Termine, die länger dauern und meine Freizeit beschneiden, aber im Großen und Ganzen muss ich da kein ungutes Gefühl haben.
- H.: Was ist Ihr Lieblingsgericht?
- E.: Ein richtiges Lieblingsgericht habe ich nicht. Es gibt vieles, das ich mag. Am liebsten so, wie Mutter und Großmutter gekocht haben.
- H.: Was bedeutet Ihnen Kirche? (Als Vertreter des oekumenischen Vereins ist diese Frage obligatorisch.)
- E.: Um ganz ehrlich zu sein, ich habe gar keine Beziehung zur Kirche. Ich bin ohne sie aufgewachsen und vermisse sie deshalb auch nicht. Meine Eltern sind wohl noch getauft, haben mich aber nicht christlich erzogen. Ich habe aber auch keine Vorbehalte gegenüber der Kirche.
- H.: Vielen Dank, Herr Eigendorf, für das nette und informative Gespräch.
Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche und erfreuliche Amtszeit!